Ausgenoggt oder Du bist kein Mörder

Die Story

Zum ersten Mal begegnen sich der Berliner Werner D und der Danziger Wilfried Bank, als sie auf einer Napola in Reisen im Warthegau für Führer, Volk und Vaterland erzogen werden und später in Berlin für den Endsieg kämpfen. Als sie sich nach über 60 Jahren zum zweiten Mal begegnen, ist ihr Kampf noch nicht am Ende. Nur die Gegner sind Andere.

Der Stoff

Wenn man die Kindheit im Dritten Reich verbringt, mit dreizehn Jahren im Krieg kämpft und bekämpft wird und mit vierzehn Jahren erfährt, daß alles schlecht war, was das kurze bisherige Leben ausmachte, die Werte nicht mehr gelten, für die man bisher gelebt hat, kann man ins Straucheln geraten.

 

Das haben die Deutschen in der Stunde Null erfahren – und Viele noch einmal, als der sogenannte zweite deutsche Staat zusammenbrach.

 

Auch unsere Protagonisten haben das alles erlebt – ein Leben in Glanz und Gloria und ein Leben im tiefsten Schatten dieser Welt.

 

Davon erzählt unser Film: Beide werden 1931 geboren – der eine in Berlin, der andere in Danzig. Mit elf Jahren lernen sie sich als Schüler einer Napola in Reisen im Warthegau kennen, drücken gemeinsam die Schulbank und sind zusammen im Straßenkampf in Berlin der SS unterstellt. Ein traumatisches Ereignis verbindet beide Jungs und sorgt gleichzeitig dafür, daß sie sich in den letzten Kriegstagen auseinanderleben und sich nichts mehr zu sagen haben. Werner nimmt das zunächst hin. Wilfried verdrängt.

 

Werner findet nach dem Krieg keinen Anschluß, keine Orientierung. Zwar hätte er Chancen, aber er wird von der Schule verwiesen und driftet in die Kleinkriminalität ab. In der Strafanstalt Plötzensee lernt er Werner Gladow kennen, mit dem er später eine Gang nach dem Vorbild Al Capones gründet. Fortan führt er ein Doppelleben: Er wohnt zu Hause, macht eine Glasbläserlehre, geht seiner Leidenschaft, dem Boxen nach, trainiert u.a. mit Gustav Bubi Scholz – und er gehört zu Deutschlands meistgesuchten Verbrechergangs. Wilfried Bank sind Chancen verwehrt. Als Kriegsgefangener wird er nach Lettland verschleppt und zu harter Zwangsarbeit verpflichtet. Wegen seines jungen Alters und weil er keine Blutgruppentätowierung am Körper hat, wird er nach wenigen Jahren entlassen. Er läßt die Kriegsereignisse hinter sich und macht all das, was Werner nicht macht: Er geht zur Schule, studiert Jura und wird Staatsanwalt der DDR. Obwohl er nie politische Anklagen vertreten hat, wird er 1990 außer Dienst gesetzt und erhält kurz darauf eine Zulassung als Rechtsanwalt in Berlin.

 

Die politischen Entwicklungen erleichtern im Nachkriegsberlin vielen Verbrechern das Leben. Schließlich wird die Gang um Werner Gladow festgenommen. Obwohl Werner die Gang schon im Januar 1949 verlassen und nichts mit den späteren Morden von Gladow zu tun hat, wird er den ostdeutschen Behörden unterstell und später zu 15 Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Ehrverlust verurteilt. Später mutiert er zu einem der besten Boxtrainer der Welt. 2008 wird er zu 3 ½ Jahren Gefängnis verurteilt, weil er Schutzbefohlene mißbraucht haben soll. Heute ist sicher: Das hat er nicht. Er ist das Opfer von Intrigen und Machtspielen. Rechtsanwalt Wilfried Bank bereitet die Wiederaufnahme des Verfahrens vor und ahnt zunächst nicht, daß ihn und Werner ein über 60 Jahre zurückliegendes traumatisches Ereignis verbindet. Aber erst jetzt ist er in der Lage, seine Kindheitserlebnisse aufzuarbeiten.

 

Die Geschichte um Werner ist wahr. Er lebte Dezember 2017 in der Straße in Berlin, in der er seine Kindheit verbracht hatte. Das Drehbuch basiert auf jahrelangen intensiven Recherchen. Der Autor ist mit einem kleinen Team in die Geschichte eingetaucht: Lektüre umfassender Literatur, Einsicht in aktuelle Prozeßunterlagen und Akten von Polizei, Staatsanwalt und Gericht von 1947 bis 1961. Die Behörden haben für ihn die Schutzfristen verkürzt, damit ein umfassendes Aktenstudium möglich ist. Neben diesem Studium konnten Zeitzeugen ausfindig gemacht und zu den Ereignissen befragt werden – so Renate, die Schwester von Werner Gladow. Igea Gäbler, deren Mann zusammen mit Gladow hingerichtet wurde, stand Rede und Antwort; aber auch Abdul, der mit 12 Jahren wider besseren Wissens Werner D des Mißbrauchs bezichtige – und Michel Trabant, der unter D mit 16 Jahren zum jüngsten Profiboxer aller Zeiten mutierte und dann 33 Kämpfe absolvierte und nicht einen verlor.

 

Die Geschichte um Wilfried Bank entspringt der Phantasie des Autors. Aber sie hätte so passieren können, fügt sich ein in das Geflecht von Ereignissen, die das Leben schrieb. Der Zuschauer soll nicht mehr erkennen können, was wahr und was fiktiv ist. Er wird deutsche Geschichte erleben und fühlen können. Vielleicht wird er auch erkennen und lernen.

 

Geschichte prägt unsere Identität. Wir können auf unsere Geschichte nicht immer stolz sein. Deshalb erzählen wir auch keine Heldengeschichten. Wir begleiten das Leben unserer Protagonisten – wie sie Opfer falscher Entscheidungen werden und selbst falsche Entscheidungen treffen, „falsche“ Wege einschlagen.